#4 Bei uns hat sich NICHTS verändert!
Bei dem Gedanken an Veränderungen läuft dem ein oder anderen ein kalter Schauer über den Rücken. Veränderung? Warum? Weshalb? Bisher hat doch alles gut funktioniert! Warum sollte ich etwas ändern? Veränderungen lösen bei uns Angst und Schrecken aus. Die Angst ist genetisch bedingt. Unsere Urprogrammierung schützte uns vor dem Säbelzahntiger. Säbelzahntiger sind glaube ich ausgestorben. Die Logik Angst gleich Flucht ist geblieben.
Darum bleiben wir lieber in unserer Komfortzone. Diese suggeriert uns Sicherheit. Gibt es so etwas wie Sicherheit?
Ein Freund von mir sagt immer, nichts ist sicher und das ist auch nicht sicher.
Also warum flüchten wir, wenn es keine Sicherheit gibt? Sag „Hallo“ zu der Veränderung, die du herbeigeführt hast oder die plötzlich vor dir steht. Denn hier ist die Keimzelle für Wachstum. Alles was nicht wächst oder sich verändert stirbt. Das ist ein Naturgesetz. Dies rechtzeitig zu erkennen ist eine hohe Kunst. Besonders in Bezug auf Unternehmen. Streng hierarchisch organisierte Unternehmen, die jahrzehntelang die gleichen Produkte verkaufen, wird es künftig wohl nicht mehr geben. Dafür sind die Märkte schon heute zu volatil, disruptiv und komplex.
Ich durfte als Berater bzw. Vertrauter meines Kunden ein Rezertifizierungsaudit begleiten. Das Unternehmen hatte ein Qualitätsmanagementsystem, bei dem das Zertifikat nach drei Jahren abgelaufen war. Der TÜV führte das Rezertifizierungsaudit an einem Freitagnachmittag durch. Audits am Freitagnachmittag sind so beliebt wie eine Zahnwurzelbehandlung. Gedanklich ist man da schon im Wochenende. Außer mir war einer der beiden Geschäftsführer anwesend.
Schon zu Beginn des Audits hatte ich den Eindruck, dass dem Geschäftsführer dieser Termin überhaupt nicht taugte.
Er hatte den Posten des Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) inne. Er war mit dieser zusätzlichen Verantwortung teilweise überfordert. Ich hatte das Gefühl, dass ihm der QMB einfach aufs Auge gedrückt wurde. So viel wie möglich zog er sich beim Audit zurück, weil er noch „wichtige“ Telefonate führte. Kurzum, es war eine zähe Geschichte. Auf viele Fragen des Auditors musste ich auf den QMB verweisen. Dabei fühlte ich mich wie in der Schule, wenn ich auf eine Frage keine Antworte wusste. Mit dem Unterschied, dass ich in der Schule vermutlich zu wenig gelernt habe. Ich wusste viel von diesem Unternehmen. Allerdings sind viele Interna Chefsache.
Beim Einführungsgespräch für das Audit machte der QMB eine Aussage, die mich etwas irritierte und mich erst mal über diesen Satz nachdenken ließ. Der Auditor hatte den QMB gefragt, was es Neues im Unternehmen gibt, um etwas Small Talk zu halten. Der QMB, der offenbar das Audit so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, antwortete. „Bei uns hat sich nichts verändert! Alles ist gleichgeblieben!“ Der Auditor vom TÜV ging nicht weiter auf diese Aussage ein. Es war keine Auditfrage, die über die Zertifizierung entschieden hätte.
Was war da gerade passiert? Ein Geschäftsführer eines Unternehmens behauptet, dass sich in einem Jahr in seiner Firma NICHTS verändert hatte? NICHTS! GAR NICHTS?!?! Habe ich das richtig verstanden, dass in diesem Unternehmen für dreihundertfünfundsechzig Tage die Zeit stehen geblieben ist? Das dieses Unternehmen autark von der Außenwelt existieren konnte? Was für ein geiles Geschäftsmodel! Das Schaffen nicht mal die Global Player!
Ich glaube, dass es zu dieser Aussage noch eine andere Interpretation gibt. Es könnte Überforderung des QMB sein, sich neuen Herausforderung in Bezug auf das Unternehmen zu stellen. Frust über zu viele Anforderungen von Kunden, Behörden und neuen Gesetzen. Veränderungen machen Menschen Angst. Viel schöner ist es doch alles beim Alten zu lassen. In der schönen und warmen Komfortzone. Außerhalb dieser Komfortzone bläst der Wind rauer. Ein Sprichwort sagt: “Eine ruhige See hat noch keinen guten Seemann gemacht“. Also müssen wir ab und zu raus damit uns der Wind um die Ohren pfeift.
Im unternehmerischen Kontext ist es wichtig öfters die Komfortzone zu verlassen. Oftmals ruhen sich Unternehmen zu lange auf ihren Erfolgen aus und erkennen zu spät, dass Ihr Produkt oder Dienstleistung nicht mehr gebraucht werden. Am Beispiel Nokia kann man das sehr gut erkennen. Der einstige Primus unter den Handyherstellern war jahrelang Gewinner des EFQM. Dem europäischen Qualitätspreis.
Es ist für große Unternehmen schwierig das Ruder herumzureißen. Bei einem großen Dampfer ist das ein Kraftakt. Ein Dampfer ist nicht so wendig wie ein Boot. Jedoch haben alle etwas gemeinsam. Einen Kompass! Der Kompass in einem Unternehmen ist das Qualitätsmanagementsystem. Der Kompass zeigt mir die Richtung an, in die es geht. Gerade in stürmischen Zeiten gibt uns das Orientierung. Ein Unternehmen dauerhaft auf Autopiloten zu schalten, halte ich für tödlich.
Eben wie ein QualiTöTer!
Jens Eisenmann
Gründer/Inhaber und Geschäftsführer von JEControl
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